Breitenstein am Semmering is a small town in the Austrian state of Lower Austria. It is one of the towns found on the Semmering Railway line which is a UNESCO world heritage site. Translated from German the name means “Broad Stone” due to its large rock faces.

City of Breitenstein am Semmering.

City of Breitenstein am Semmering. Railway Semmering to Breitenstein.

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„Sie sind endgültig verloren!“

Werfel schrieb dort Romane, Kokoschka stattete sie mit Fresken aus – Doch die öffentliche Hand interessiert sich nicht für das Kulturerbe rund um die ehemalige Villa der Alma Mahler-Werfel. Als Ausgleich zum Dirigieren und Komponieren ging Gustav Mahler (1860-1911), dem große Gesellschaften ein Gräuel waren, gerne wandern. Über die Weihnachtstage 1897 weilte er am Semmering: “Hier ist es herrlich!”, schwärmte der Hofopern-direktor. Zehn Jahre später demissionierte er; Wien war nicht mehr dauernder Wohnsitz.

Dennoch fasste Gustav Mahler (1860-1911), seit 1902 mit Alma Schindler verheiratet, den Entschluss, seinen Alterswohnsitz in Niederösterreich zu errichten. Im November 1910 erwarb er in der Gemeinde Breitenstein um 40.000 Kronen eine Liegenschaft. Er sollte dieses Refugium aber nie mehr betreten: Gustav Mahler (1860-1911) brach zu einer Konzertreise in die USA auf – und kehrte im Frühjahr 1911 todkrank zurück. Er starb am 18. Mai.

Ein Jahr später, am 17. Mai 1912, ging das Grundstück in den Besitz der lebenslustigen, jungen Witwe über. Auf einer der Parzellen ließ Alma von Hartwig Fischel, Rudolf Bredl und Karl J. Stöger ein Haus bauen. Die Architekten mussten darauf achten, dass der Ausblick auf Rax und Schneeberg voll zur Geltung komme, und den Bogen zur amerikanischen Architektur spannen, denn auf Almas Wunsch erhielt das Haus über die ganze vordere Länge eine äußere Säulenhalle. Am 2. Juni 1913 wurde die Baubewilligung erteilt, am 1. Dezember war die Villa fertig.

Über das Jahr 1914 notierte Alma in ihrer Biografie Mein Leben, nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben: “Ich hatte dem Baumeister gesagt: ‘Bauen Sie mir ein Haus um einen Riesenkamin.’ Er nahm mich wörtlich, brach große Blöcke aus unseren Bergen und formte einen übergroßen Kamin, der mit der Steinwandung die ganze Langseite des Zimmers ausfüllte.

Oskar Kokoschka malte ein großes Fresko über den Kamin – mich zeigend, wie ich in gespensterhafter Helligkeit zum Himmel weise, während er in der Hölle stehend von Tod und Schlangen umwuchert scheint. Das Ganze ist als Fortsetzung des Flammenspiels vom Kamin hinauf gedacht. (Ich weiß nicht, ob die Zeugen dieser einzigartigen Zeit noch existieren. Die Emigration hat mir mein Vaterland gestohlen.)”

Das vier Meter lange, 68 Zentimeter hohe Wandgemälde malte Kokoschka, der sich im April 1912 in Alma verliebt hatte, Ende 1913. Bereits im Mai 1914 war die Beziehung beendet – zumindest aus Almas Sicht. Im August 1915 heiratete sie Walter Gropius.

City of Breitenstein am Semmering.

Und schon Ende 1917 begann sie ein Verhältnis mit Franz Werfel. Im Juli 1918 besuchte der Schriftsteller die schwangere Alma in Breitenstein: “Wir liebten uns!”, notierte er. “Ich schonte sie nicht.” Dies führte zu einer Frühgeburt; Almas Sohn starb schließlich Mitte Mai 1919.

Im Juli 1929 heirateten Werfel und Alma am Semmering. Zuletzt dürften die beiden 1937 in Breitenstein gewesen sein. Nach dem Einmarsch Hitlers im März 1938 befanden sich die beiden auf der Flucht. Im August 1939 schenkte Alma das Grundstück ihrer Halbschwester Maria Eberstaller, einem langjährigen NSDAP-Mitglied, denn sie hatte keine Hoffnung mehr, nach Österreich zurückzukehren. Im April 1945, als der Krieg verloren war, begingen Maria Eberstaller, ihr Mann Richard und Almas verhasster Stiefvater Carl Moll Selbstmord. Erneut erbte Alma das Grundstück.

1955 stellte sie, nun in New York lebend, fest: “Ja, die Fresken existieren noch. Ich musste mein Haus am Semmering an eine russische Gewerkschaft vermieten, denn sie drohten mir, wenn ich es nicht gutwillig hergebe, es sich einfach zu nehmen. Da die Russen diese Fresken aber nicht schön fanden, ließen sie sie übermalen. Ich tue von hier – New York – aus alles, um sie zu retten.”

Später, ohne Zeitangabe, notierte sie: “Sie sind verloren.” Und noch später: “Sie sind endgültig verloren!” Denn Ende 1959 verkaufte Alma die Villa an die Schiffswerft Korneuburg, die unter russischem Einfluss stand. Ob dieser Akt auf Freiwilligkeit basierte, ist nicht bekannt. Alma starb am 11. Dezember 1964; die Villa diente bis in die 80er als “Erholungsheim”.

Im Sommer 1987 machten sich der Maler Hanns Kunitzberger (1955) (see his Mahler buste in the Haus der Muzik, Vienna) und seine Frau Catherine, eine Sängerin, auf die Suche nach der Mahler-Villa. “Mein Mann ist ein großer Verehrer von Mahler”, erzählt sie. “Wir besuchten all seine Orte.” Der Bürgermeister von Breitenstein fragte sie, ob sie die Immobilie nicht kaufen wollten. Die Werft versuche schon seit drei Jahren, die devastierte Villa loszuwerden. So stürzte sich das Ehepaar in ein Abenteuer: 1987 kaufte es das Grundstück um 1,7 Millionen Schilling und übersiedelte nach Breitenstein. Unerwartet entdeckten die beiden nach Entfernung einer scheußlichen 70er-Jahre- Tapete unter einem Leim-Farbe-Anstrich das verlorengeglaubte Fresko. Danach, Anfang 1989, informierten sie Gerhard Sailer, den damaligen Präsidenten des Bundesdenkmalamts – und erhofften sich Unterstützung. Diese wurde ihnen, nach mehr als einem Jahr Wartezeit, versagt.

Ab November 1990 wurde das Wandbild von Konservatoren freigelegt und abgenommen, im März 1991 wurde es legal aus Österreich ins Zollfreilager Zürich transportiert. “Die Axa Versicherung konnte das Wandbild nur in einem professionellen Depot für Kunstgegenstände versichern. Das Haus in Breitenstein war kein sicherer Ort. Und in Österreich gab es damals nirgendwo ein Depot für ein Wandbild dieser Größe.”

City of Breitenstein am Semmering.

Das Ehepaar Kunitzberger wandte sich an mehrere österreichische Museen: “Wir wollten das Wandbild in Würde behandelt wissen.” Doch niemand hatte Interesse. “Ein bestimmter Direktor, unserer Ansicht nach des am meisten geeigneten Museums, machte mir nach einem Monat Wartezeit klar, dass dieses Werk für ihn nicht so wichtig ist. Wenn er es erwerbe, müsse er auf für ihn wichtigere Investitionen verzichten. Er sah das Wandbild aber nur auf einem Foto, das wir ihm gebracht hatten. Eine Betrachtung des Originals kam für ihn nicht infrage. Traurig nahmen wir dies zur Kenntnis. Wir waren zu einigem Entgegenkommen bereit, um den Ankauf durch ein Museum zu ermöglichen, doch wir selbst standen durch diese Geschichte unter einem enormen finanziellen Druck gegenüber den Banken. Also keine leichte Situation.”

Rudolf Leopold hätte das Fresko gerne gekauft; aber er befand sich damals in finanziellen Nöten. 1993 wurden die Kunitzbergers von Hans Dichand kontaktiert: “Er war überaus begeistert.” Und er kaufte es. “Da wir in Österreich keine Lösung fanden, war ein Verkauf an ihn für uns die richtige Entscheidung.

Wir hatten eine große Last auf unseren Schultern”, sagt Catherine Kunitzberger. “Wir hatten unsere Pflicht getan: Das Fresko war gerettet.” Sonderbarerweise bot Dichands damalige Galerie Würthle das Fries 1995 in Basel zum Kauf an – um 16 Millionen Schilling. Es wechselte aber nicht den Besitzer. 1996 verließen die Kunitzbergers Breitenstein. Sie verkauften die Immobilie an Christine Jacobsen, ließen aber all das, was sie vorgefunden hatten, zurück, darunter den Schreibtisch, an dem Werfel Romane geschrieben hatte.
Auf der Homepage würdigt der Ort Alma Mahler als “eine der berühmtesten Breitensteinerinnen”. Mit Bedauern vermerkt man, dass sich die Villa am Werfelweg 6 in Privatbesitz befindet; sie könne daher nicht besichtigt werden. Sie steht nach wie vor nicht unter Denkmalschutz. Das Fries war zumindest einmal zu sehen: im Frühjahr 2008, in der Kokoschka-Ausstellung Träumender Knabe – Enfant terrible des Belvedere, als Leihgabe von Hans Dichand.

Schrieb Alma aber nicht von “Fresken”, die verloren seien? Alfred Weidinger, Kurator der Kokoschka-Schau, meint im Katalog, dass es noch weitere geben müsse. Ein Brief im Mahler-Werfel-Archiv in Philadelphia würde dies belegen. Es bleibt zu hoffen, dass auch sie noch unter Schichten von Wandfarbe existieren – und eben nicht zerstört wurden.

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